
Die Weiterbildung zum Facharzt für Handchirurgie ist die Basis für die ärztliche Tätigkeit in einer hochspezialisierten chirurgische Unterdisziplin. Primär sehen hier Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen der Hand und des Handgelenks im Fokus. Das Fachgebiet deckt neben der operativen Versorgung allerdings auch die konservative Therapie ab. Daher brauchen Handchirurgen ein tiefgreifendes Verständnis der komplexen anatomischen und funktionellen Strukturen der oberen Extremität und im Speziellen der Hand.
Inhaltsverzeichnis
Facharzt Handchirurgie – Tätigkeiten
Handchirurgen behandeln eine Vielzahl von Krankheitsbildern, darunter Frakturen, Sehnen- und Nervenverletzungen, degenerative Erkrankungen wie Arthrose, entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis sowie Tumore und angeborene Fehlbildungen. Die Tätigkeit erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen wie der Orthopädie, der Plastischen Chirurgie, der Rheumatologie und der Rehabilitation, um eine ganzheitliche Versorgung der Patienten sicherzustellen. Mehr zu Karriere und Aufgaben als Handchirurg:
Übersicht aller Facharztausbildungen und Fachrichtungen:
Weiterbildung Facharzt Handchirurgie- Voraussetzungen
Für die Weiterbildung zum Facharzt für Handchirurgie ist ein abgeschlossenes Medizinstudium mit eidgenössischem Arztdiplom oder ein anerkannter gleichwertiger ausländischer Abschluss erforderlich. Wer das erfüllt, kann mit der chirurgische Basisweiterbildung beginnen.
Weiterbildung Facharzt Handchirurgie – Dauer und Gliederung
Die Weiterbildung zum Facharzt Handchirurgie dauert insgesamt sechs Jahre und gliedert sich in:
1 bis 2 Jahre chirurgische Basisweiterbildung
Dieser Teil der Weiterbildung muss an anerkannten Weiterbildungsstätten in den Fachgebieten Chirurgie, Gefässchirurgie, Herz- und thorakale Gefässchirurgie, Kinderchirurgie, Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Thoraxchirurgie oder Urologie absolviert werden. Die Basisweiterbildung wird mit dem Basisexamen oder dem CSC-Zertifikat abgeschlossen.
4 bis 5 Jahre fachspezifische Weiterbildung in Handchirurgie
Mindestens vier Jahre müssen an für Handchirurgie anerkannten Weiterbildungsstätten absolviert werden, davon mindestens ein Jahr an einer Weiterbildungsstätte der Kategorie A. Höchstens ein Jahr kann an einer Weiterbildungsstätte der Kategorie C (Arztpraxen) erfolgen. Mindestens ein Jahr der fachspezifischen Weiterbildung muss an einer zweiten Weiterbildungsstätte absolviert werden. Eine handchirurgische Forschungstätigkeit kann auf Anfrage bis zu einem Jahr angerechnet werden.
Zusatzmöglichkeiten
Während der Weiterbildung sind folgende Zusatzleistungen zu erbringen:
- Teilnahme an Kongressen: Nachweis der Teilnahme an insgesamt vier Kongressen (mindestens zwei der Schweizerischen Gesellschaft für Handchirurgie, SGH) für insgesamt 32 Credits
- Teilnahme an Weiterbildungskursen: Nachweis der Teilnahme an zehn unterschiedlichen von der SGH angebotenen oder als äquivalent anerkannten Kursen, darunter je ein Grundlagenkurs in Osteosynthese, Arthroskopie, Lappenplastiken und Mikrochirurgie
- Vorträge: Halten von mindestens zwei Vorträgen zu handchirurgischen Themen, davon einer am Jahreskongress der SGH
- Publikationen: Verfassen einer wissenschaftlichen Publikation als Erst- oder Letztautorin bzw. -autor in einer peer-reviewten Zeitschrift oder eine anerkannte Dissertation
- Strahlenschutz: Erwerb des Fähigkeitsausweises „Strahlenschutz in der Handchirurgie“ gemäss den entsprechenden Richtlinien
- Gutachten: Durchführung von zwei handchirurgischen Gutachten unter Supervision eines Facharztes für Handchirurgie sowie Teilnahme am Kurs Swiss-Insurance-Medicine (SIM) Modul I
Facharzt Handchirurgie – Inhalte der chirurgischen Basisausbildung
Während der nicht-fachspezifischen chirurgischen Grundausbildung werden die Inhalte des Core Surgical Curriculums vermittelt. Sie werden im sogenannten „White Book“ zusammengefasst. Dazu gehören die prä-, peri- und postoperative Betreuung chirurgischer Patienten, der Umgang mit akuten Komplikationen und medizinischen Notfällen sowie die Versorgung sterbender Patienten. Auch kommunikative Fähigkeiten, rechtliche und administrative Grundlagen ärztlicher Tätigkeit, medizinethische Fragestellungen, die Planung und Umsetzung klinischer Forschung sowie der Erwerb technischer Basisfertigkeiten sind integraler Bestandteil dieser Phase.
Inhalt der fachspezifischen Weiterbildung Handchirurgie
Ziel der fachspezifischen Weiterbildung ist das Erarbeiten theoretischer, wissenschaftlich fundierter Kenntnisse und der Erwerb der praktischen Fertigkeiten zur konservativen, chirurgischen und mikrochirurgischen Versorgung von Krankheiten und Verletzungen der oberen Extremität. Dies beinhaltet:
- Kenntnisse über Anatomie, Verletzungen und Verletzungsfolgen, Infektionen, degenerative und entzündliche Gelenks-, Knochen- und Weichteilerkrankungen, Tumore und Missbildungen der oberen Extremität
- Vertieftes theoretisches Wissen auf dem Gebiet der peripheren Nerven der oberen und unteren Extremitäten
- Kenntnisse über das mechanische und biologische Verhalten von Implantaten
- Beherrschen der klinischen Untersuchungsmethoden bei Verletzungen, Erkrankungen und angeborenen Fehlbildungen
- Indikationsstellung zur Durchführung bildgebender und apparativer diagnostischer Abklärungen und Befundbeurteilung
- Erlernen der zur Erfüllung des Operations-Kataloges geforderten chirurgischen Techniken
- Erlernen der mikrochirurgischen Operationstechnik einschliesslich supervidiertem Training im Labor
- Erwerb spezieller chirurgischer Kenntnisse auf dem Gebiet der Frakturbehandlung gemäss den Standards der Orthopädie und Traumatologie
- Beherrschen der Techniken der Lokalanästhesie, Leitungsanästhesie, Regionalanästhesie und Kenntnisse über mögliche Komplikationen
- Beherrschen pharmakotherapeutischer Behandlungen auf dem Gebiet der Handchirurgie
- Kenntnis der Methoden und der Indikationen zur Nachbehandlung und Rehabilitation einschliesslich Bewegungs-, Ergo- und Physiotherapie, Schienenbehandlung und Prothetik
- Kenntnisse im Bereich Dokumentation und Qualitätssicherung
- Interpretation und kritische Würdigung klinischer Studien
- Befähigung zur selbständigen Erstellung fachspezifischer Gutachten
- Befähigung zur fachübergreifenden und interdisziplinären Patientenbetreuung
Operationskatalog Handchirurgie
Während des fachspezifischen Teils der Weiterbildung ist folgender Operationskatalog zu erfüllen:
Nicht-operative Therapie
- Primäre Behandlung von Handverletzungen (z. Frakturen oder Gelenksverletzungen)
- Abklärung und Behandlung von Rheuma- oder Systemerkrankungen des Bindegewebes am Bewegungsapparat
- Abklärung und Erstellen eines interdisziplinären Therapiekonzeptes bei bösartigen Tumoren der oberen Extremität oder des Bewegungsapparates
- Konservative Behandlung von Infektionen
- Beurteilung angeborener Fehlbildungen
- Behandlung des CRPS
- Konservative Behandlung degenerativer Pathologien an Hand und Handgelenk
- Konservative Behandlung der Epicondylitis humeri (radialis/ulnaris)
Operative Therapie – Infektionen & Weichteile
- Wundinfektionen an der oberen Extremität
- Paronychie, Panaritium (subcutaneum, ossale, articulare)
- Beugesehneninfektion (Empyem)
- Morbus Dupuytren – operative Erstbehandlung
- Morbus Dupuytren – interventionelle Behandlung (z. Fasziotomie, enzymatisch)
- Weichteilerkrankungen (degenerativ/synovialitisch)
- Tendovaginitis de Quervain
- Tendovaginitis stenosans
- Sehnenscheidenganglion
- Carpale Ganglien
Tumoren
- Behandlung benigner und maligner Neoplasien der Weichteile (ohne Ganglien)
- Behandlung benigner und maligner Neoplasien des Knochens und der Gelenke
- Resektion tumorähnlicher Veränderungen (z. Gicht)
Nerven
- Naht eines Nervenastes
- Naht eines Nervenstammes
- Transplantation zur Wiederherstellung eines Nervenastes
- Transplantation zur Wiederherstellung eines Nervenstammes
- Dekompression N. medianus im Karpalkanal
- Dekompression N. ulnaris im Sulcus ulnaris
- Behandlung anderer Kompressionsneuropathien
- Neurolyse (exklusive CTS)
- Nervenersatzoperation, motorisch (z. Sehnentransfer, ggf. in Kombination mit Tenodese, Kapsulodese oder Arthrodese)
- Eingriff bei schmerzhaftem Neurom
- Plexus brachialis Eingriffe (Rekonstruktion, Neurolyse, Nerventransfer)
Angeborene Fehlbildungen
- Behandlung angeborener Fehlbildungen der oberen Extremität
Haut / Weichteilrekonstruktion
- Freies Hauttransplantat (Spalthaut, Vollhaut, Nagelbett)
- Lokale Lappenplastik
- Axial gestielte regionale/freie/mikrovaskuläre Lappenplastiken
Gefässe
- Mikrochirurgische Anastomose an Arterie / Vene
- Replantation, Revaskularisation bei Ischämie
- Andere Eingriffe an Gefäßen (z. lokale Sympathektomie, Thrombektomie, AV-Fistel)
Besondere Traumata
- Amputationsstumpfbildung, Amputation als Wahleingriff, Revision nach Amputation
- Brandverletzung, Verätzung, Stromverletzung, Erfrierung, Hochdruckinjektion, Kompartmentsyndrom
Sehnen
- Naht einer Beugesehne im Digitalkanal (Zone 2, mehr als 2/3 des Querschnitts)
- Naht einer Streck- oder Beugesehne ausserhalb des Digitalkanals
- Tenolyse einer Beuge- oder Strecksehne
- Sehnenrekonstruktion (Beuge-/Strecksehnen inkl. Transfer/Interponat)
- Andere Sehnenrekonstruktionen (z. Swan-Neck, Boutonnière, Dermotenodese)
Knochen / Frakturen
- Geschlossene operative Frakturbehandlung (z. perkutane K-Draht-Osteosynthese, Fixateur extern)
- Operative Frakturbehandlung der Metacarpalia (exklusive Metallentfernung)
- Operative Frakturbehandlung der Phalangen (exklusive Metallentfernung)
- Operationen an den Carpalia (frische Verletzungen oder sekundär)
- Operation bei Pseudarthrosen / Korrekturosteotomien
- Operative Versorgung extra-/intraartikulärer Radiusfrakturen
- Vorderarmfrakturen (Radius, Ulna, Kombinationsverletzungen)
Gelenke
- Bandnaht oder Bandreinsertion an der Handwurzel (z. SL, LT)
- TFCC-Naht, Refixation oder Rekonstruktion
- Bandnaht/-refixation/-rekonstruktion an der Hand (übrige)
- Arthrolyse oder Synovektomie
- Behandlung der CMC-I-Arthrose (z. Trapezektomie mit/ohne Ligamentrekonstruktion/Sehneninterposition, Prothese)
- Arthroplastik an Hand und Handgelenk (exklusive CMC I)
- Arthrodesen an den Phalangen
- Arthrodese am Handgelenk (partiell oder komplett) / Proximal Row Carpectomy
- Operative Behandlung einer Luxation (Finger oder Handgelenk)
- Denervation (Finger, Handgelenk oder Ellbogengelenk)
- Arthroskopie an Hand und Handgelenk
Weiterbildung Facharzt Handchirurgie – Facharztprüfung
Die Facharztprüfung zur Weiterbildung zum Handchirurgen besteht aus insgesamt drei Teilen. Zunächst erfolgt das Basisexamen Chirurgie. Dieses befähigt Absolventen an der EBHSE (European Board of Hand Surgery Examination) teilzunehmen, die wiederum aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil besteht:
- Schriftliche Prüfung: Durchführung einer Multiple-Choice-Prüfung mit 300 Fragen in englischer Sprache, basierend auf dem „White Book on Hand Surgery in Europe“ des European Board of Hand Surgery (EBHS)
- Mündliche Prüfung: umfasst in drei Abschnitten zu je 30 Minuten Fallpräsentationen, klinische Entscheidungsfindung und praktische Fertigkeiten
Beide Prüfungsteile müssen bestanden werden, um den Facharzttitel zu erlangen.
Dokumentation und Logbuch
Während der gesamten Weiterbildung ist ein elektronisches Logbuch zu führen, in dem alle Lernziele, absolvierte Weiterbildungszeiten, durchgeführte Operationen, besuchte Kurse und Kongresse sowie weitere relevante Aktivitäten dokumentiert werden. Dieses Logbuch dient als Grundlage für die regelmässige Evaluation und ist Voraussetzung für die Zulassung zur Facharztprüfung.
Facharzt Handchirurgie – Passende Jobs
Fachärzte für Handchirurgie in der Schweiz können in kantonalen und universitären Spitälern, privaten Kliniken oder eigenen Praxen arbeiten. Sie sind auch in spezialisierten Handchirurgiezentren, orthopädischen Kliniken oder als Teil interdisziplinärer Teams in grösseren medizinischen Einrichtungen tätig. Zudem bieten sich Möglichkeiten in der Unfallchirurgie, Rehabilitationseinrichtungen oder als Belegärzte in verschiedenen medizinischen Institutionen. Nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung zum Handchirurgen eröffnen sich in jedem Fall vielfältige berufliche Möglichkeiten in der Chirurgie.
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