
Die Gefässchirurgie ist ein hochspezialisiertes Feld innerhalb der Chirurgie. Sie befasst sich mit der operativen und interventionellen Behandlung von Erkrankungen der arteriellen, venösen und lymphatischen Gefässe. Wer sich in der Schweiz zum Facharzt für Gefässchirurgie weiterbilden möchte, muss eine klar strukturierte, mehrjährige Weiterbildung absolvieren, die durch das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) geregelt ist.
Inhaltsverzeichnis
Facharzt Gefässchirurgie – Tätigkeiten
Gefässchirurgen behandeln Erkrankungen der Blutgefässe operativ und interventionell. Das Tätigkeitsfeld ist äusserst vielfältig und umfasst sowohl geplante Eingriffe als auch Notfalloperationen.
Zu den zentralen Tätigkeiten gehören die Diagnostik und Indikationsstellung bei arteriellen und venösen Gefässerkrankungen wie zum Beispiel der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK), Aneurysmen, Krampfadern oder Thrombosen. Gefässchirurgen führen, wenn notwendig, operative Versorgungen durch. Dazu gehören Bypassanlagen, Patchplastiken, Thrombendarteriektomien oder endovaskuläre Techniken wie Stenting.
Zudem kommen Hybridverfahren in Zusammenarbeit mit der interventionellen Radiologie zum Einsatz. Die Behandlung komplexer Wunden, wie etwa beim diabetischen Fusssyndrom, das Management von Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen sowie postoperative Verlaufskontrollen inklusive Duplexsonografie gehören ebenso zum Alltag wie interdisziplinäre Fallbesprechungen mit Angiologie, Diabetologie, Radiologie und Intensivmedizin.
Nicht zuletzt übernehmen Gefässchirurgen eine zentrale Rolle in der Notfallversorgung. Mehr zu den Aufgaben und Karrierewegen als Facharzt Gefässchirurgie:
Übersicht aller Facharztausbildungen und Fachrichtungen:
Weiterbildung Facharzt Handchirurgie- Voraussetzungen
Für die Weiterbildung zum Facharzt für Handchirurgie ist ein abgeschlossenes Medizinstudium mit eidgenössischem Arztdiplom oder ein anerkannter gleichwertiger ausländischer Abschluss erforderlich. Wer das erfüllt, kann mit der chirurgische Basisweiterbildung beginnen.
Dauer und Gliederung der Weiterbildung Facharzt Gefässchirurgie
Die Facharztweiterbildung in Gefässchirurgie dauert in der Schweiz insgesamt sechs Jahre. Sie besteht aus einem nicht fachspezifischen und einem fachspezifischen Teil. Die einzelnen Abschnitte gliedern sich wie folgt:
Nicht fachspezifische Weiterbildung
- zwei Jahre allgemeine Chirurgie an anerkannten Weiterbildungsstätten (dieser Abschnitt wird mit dem bestandenen Basisexamen abgeschlossen)
- 3 Monate Intensivmedizin oder Anästhesiologie, die ebenfalls an anerkannten Weiterbildungsstätten absolviert werden müssen 8der Nachweis erfolgt über ein separates SIWF-Zeugnis im e-Logbuch9
- Bis zu 1 Jahr optionale Weiterbildung, zum Beispiel in folgenden Bereichen:
- MD-PhD-Programm
- Angiologie
- interventionelle Radiologie
- Forschung im Bereich der Gefässchirurgie (nur mit vorherigem Gesuch an die Titelkommission)
Fachspezifische Weiterbildung Gefässchirurgie
- Ausbildung an anerkannten Weiterbildungsstätten für Gefässchirurgie, davon
- mindestens 2 Jahre an Kliniken der Kategorie A
- mindestens 1 Jahr an einer zweiten Weiterbildungsstätte, idealerweise in einem anderen Spital, um eine breite klinische Erfahrung zu gewährleisten
Diese klare Struktur soll sicherstellen, dass die Weiterzubildenden sowohl eine solide chirurgische Grundausbildung als auch spezialisierte Kenntnisse und Fertigkeiten in der Gefässchirurgie erwerben.
Inhalte der Weiterbildung Facharzt Gefässchirurgie
Während der Weiterbildung erwerben Assistenzärzte vertiefte Kenntnisse und Fertigkeiten in folgenden Bereichen:
Allgemeine Kenntnisse – Arterien
- Beherrschung von offenen und endovaskulären Rekonstruktionen degenerativer Erkrankungen sowie Verletzungen der supraaortalen Gefässe (Aa. subclavia, carotis communis, A. carotis interna, A. carotis externa sowie A. vertebralis), der Aorta thoraco-abdominalis und ihren Ästen (einschliesslich Viszeral- und Nierenarterie), der infrarenalen Aorta mit den Beckenarterien, sowie der Arterien der oberen und der unteren Extremitäten
- Beherrschung des ganzen Optionsspektrums der Dialyse-Shunt-Chirurgie
- Behandlung entzündlicher, bzw. mykotischer Gefässerkrankungen einschliesslich des M. Buerger (Thrombangiitis obliterans), des M. Takayasu (supraaortale Form oder coarctatio aortae), vaskulärer Formen des M. Behçet und anderer seltener Erkrankungen
- Beherrschung der Therapien und Kenntnisse der Grenzen der modernen endovaskulären Techniken (Kathetertherapie und Endoprothesen in der Behandlung der okklusiven und dilatativen Arteriopathien)
- Kenntnis und Beherrschung der Behandlung von irreversiblen Folgen arterieller Durchblutungsstörungen, welche nicht mehr rekonstruierbar sind: Sequestrektomie, kleine und grosse Gliedmassenamputationen und Rehabilitationsmassnahmen
- Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen indirekt hyperämisierender Massnahmen (thorakale und lumbale Sympathektomie, Rückenmarksstimulation)
- Beteiligung an rekonstruktiven gefässchirurgischen Massnahmen im Rahmen interdisziplinärer Tumorchirurgie
Allgemeine Kenntnisse – Venen
- Beherrschung der Diagnostik und Behandlung von Störungen des venösen Rückflusses und Rekonstruktion tiefer Venen mit kompetenter Klappenfunktion
- Behandlung akuter oder rezidivierender Ulcera cruris, inkl. Massnahmen: Ulkusexzision mit plastischer Defektdeckung, endoskopische, bzw. mini-invasive Eingriffe zur subfaszialen Ligatur von insuffizienten Vv. perforantes, Fasziektomie, ev. die paratibiale Fasziektomie, gezielte Haut / Unterhautplastik
- Behandlung akuter Venenthrombosen inkl. Thrombektomie und Thrombolyse sowie die Wiederherstellung bei chronischen Verschlüssen und Klappenrekonstruktion bei Refluxkrankheiten
Allgemeine Kenntnisse – Lymphwege
- Kenntnis der primären und sekundären Lymphabflussstörungen, insbesondere der Prävention und der konservativen Behandlungsmöglichkeiten des primären Lymphoedems sowie der therapeutischen Möglichkeiten beim sekundären Lymphoedem (Tumorobstruktion)
Allgemeine Kenntnisse – Angiodysplasien
- Kenntnis kongenitaler und erworbener Angiodysplasien bzw. AV-Malformationen bezüglich ihrer Pathophysiologie, Diagnostik und therapeutischen Möglichkeiten (Hämangiome, Parkes-Weber Syndrom, M. Klippel-Trenaunay, usw)
Wissenschaftliche Kenntnisse
- Kenntnis moderner klinischer Forschungsmethoden inkl. Statistik
- Fähigkeit, wissenschaftliche Arbeiten kritisch zu analysieren und zu interpretieren
Allgemeine Pharmakologische Kenntnisse
- Kenntnisse von Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten, welche peri- und postoperativ in der Behandlung von typischen gefässchirurgischen Patienten eingesetzt werden
Allgemeine Kenntnisse – Vaskuläre Anästhesie
- Kenntnisse der Anästhesie-Techniken bei Gefässpatienten
- Kenntnisse der kritischen Zustände und co-morbiden Krankheiten von gefässchirurgischen Patienten und deren intensivmedizinische Behandlungen
Allgemeine Kompetenzen – Anforderungen im theoretisch-wissenschaftlichen Bereich
- Kenntnisse der Epidemiologie, der Risikofaktoren und der Präventionsmöglichkeiten häufiger Gefässkrankheiten
- Kenntnis der Embryologie, der Anatomie, der Physiologie, der Biochemie und der Pathophysiologie von degenerativen und nicht-degenerativen Kreislauferkrankungen
- Prinzipien der Begutachtung
Allgemeine Kompetenzen – Anforderungen im diagnostischen Bereich
- Vertiefte Kenntnisse von Definition der «chronisch-kritische Ischämie» (gemäss Richtlinien des European Consensus Committee)
- Stellen der Operationsindikationen bei selbstständiger Durchführung und Interpretation der Oszillometrie, nichtinvasiver Messung des peripheren Knöchel- und Zehenarterienverschlussdruckes sowie die Beurteilung bildgebender Verfahren
- Vertiefte Kenntnis von farbcodierter Sonographie bei Erkrankungen von Arterien und Venen
- Vertiefte Kenntnis des Laufbandergometers, der Plethysmographie, u. der direkten phlebodynamischen Druckmessung (mit Bestimmung der Ejektionsfraktion und der Wiederauffüllungszeit) und Bestimmung der transkutanen Sauerstoffkonzentration (tP02)
- Vertiefte Kenntnisse gefässbezogener radiologischer Methoden: digitale Substraktionsangiographie, konventionelle Angiographien, Magnetresonanzangiographie, konventionelles MRI und Computertomographien mit Kontrastmittel (3D, Spiraltomographien)
- Vertiefte Kenntnisse aszendierender und deszendierender (Press-) Phlebographien und Lymphographien
- Kenntnis der nuklearmedizinischen Methoden und den Farbstofftests bei Lymphoedem
Allgemeine Kompetenzen – Klinische Anforderungen
- Kenntnis der Pathophysiologie, Beurteilung und Behandlung von akuten Verletzungen, Verschlüssen und Erkrankungen von Stammgefässen, Gefässen an den Extremitäten sowie supraaortalen Aesten
- Kenntnisse in der Indikationsstellung und selbständigen Durchführung der konservativen, der kathetertechnischen und der chirurgischen Therapie bei den häufigsten vaskulären Erkrankungen. Zum endovaskulären Spektrum gehören die Ballondilatation, die Stent- und Stentgraft-Applikation sowie die Thrombolyse in den anatomischen Regionen, die für diese Therapie geeignet sind
- Kenntnisse und praktische Anwendung der intraoperativen hämodynamischen Messmethoden (intraoperative Kontrollangiographie, intraoperative Flussmessungen) [transit time], intraoperative Angioskopie und intraoperative Duplex-Sonographie)
- Kenntnis des Monitorings und Kontrollmassnahmen bei Eingriffen an extrakraniellen Gefässen des Gehirns (intraoperative Angioskopie, intraoperative transkranielle Dopplersonographpie, intraoperative Duplex-Sonographie, Messung somato-sensorischer Potentiale und intraoperative Kontrollangiographie)
- Früherfassung und Behandlung von Komplikationen nach Gefässeingriffen (Kenntnis der Ischämietoleranz, Hämodynamik)
- Konservative Behandlung (Pharmakotherapie und Physiotherapie) arterieller und venöser Erkrankungen einschliesslich der Lymphologie
- Kenntnis der pathophysiologischen Bedeutung grosser arterio-venöser Fisteln
Operationskatalog (offen- vaskulär/ endovaskulär)
Für den Erwerb des Facharzttitels in Gefässchirurgie müssen Eingriffe sowohl selbstständig durchgeführt (Rubrik O) als auch als 1.-Hand-Assistenz begleitet (Rubrik A) werden; auch Anleitungseingriffe zählen wie eigene Operationen. Die Eingriffe werden im Operationskatalog dokumentiert, wobei bestimmte Kombinationseingriffe einzeln gezählt und bis zu einem Drittel der Anforderungen durch besonders gepflegte Teilgebiete ausgeglichen werden können.
A Offene Chirurgie der Arterien
- Chirurgie der supraaortalen Aeste, beinhaltend
- Thrombendarterektomie oder Eversionsendarterektomie an der Karotis-Bifurkation
- Rekonstruktion der A. carotis communis
- Eingriffe an der A. vertebralis
- Eingriffe bei symptomatischemVerschluss der A. subclavia oder des Truncus brachiocephalicus
- Arterielle Durchblutungsstörungen an den oberen Extremitäten
- Zugangswegchirurgie für Hämodialyse-Patienten
- Radio-cephlae Fistel (Cimino-Brescia Fistel)
- Tabatière
- Brachio-cephale Fistel, Zugang mit Kunststoff- oder Bioprothese, autonomes Veneninterponat
- Andere Zugangswege
- Eingriffe an der Aorta sowie der Viszeral- und Beckenarterien
- Thorako-abdominales Aneurysma
- Viszerale Gefässoperationen (Eingriffe an der Pfortader nicht inbegriffen)
- Eingriffe an den Nierenarterien
- Bauchaorten/Beckenarterien-aneurysma selektiv
- Bauchaortenaneurysma rupturiert
- Aorto-Iliakale Verschlusskrankheit
- Rekonstruktive Eingriffe im Bereich der Leiste
- Extra-anatomische Umleitung
- Rekonstruktion im Bereich der Femoralisgael
- Infrainguinale Rekonstruktion bei paVK
- femoro-poplitealer Bypass supragenual
- femoro-poplitealer Bypass infragenual
- Femoro-infrapolitealer Bypass
- Popliteo-disdaler Bypass
- Revaskularisation bei akuten Verschlüssen
- Varia
- Fasziotomie
- Aneurysmachirurgie der unteren Extremitäten
- Septische Gefasschirurgie
B Chirurgie der Venen
- Venöse Thrombektomie an den unteren Extremitäten
- ilio-femorale Thrombektomie
- Vieretagenthrombektomie
- Temporäre arterio-venöse Fistel
- Rekonstruktive Eingriffe am tiefen Venensystem
- Cross-over Bypass bei Beckenvenensperre
- Rekonstruktion von Klappen am tiefen Venensystem
- Transplantation, Transfer klappentragender Venensegmente
- Venen-Transposition
- Behandlung traumatischer Venenläsionen
- Varizenchirurgie
- Crossectomie
- Varizenkonvolutausräumung
- Stripping der V. saphena magna und/ oder parva
- Perforantenunterbhrechung
- Kombination von aller oben genannten
- Endovenöse Varizeneingriffe
C Besondere Eingriffe
- Amputationen
- kleine (Zehen, Mittelfuss)
- Grosse (Unterschenkel/Oberschenkel)
- Indirekt hyperämisierende Massnahmen – Sympathekomien
- Thorakale
- Lumbale
- Operationen bei Kompressionssyndromen
- „thoracic outlet syndrome“
- „eNtrapment syndrome“
- Eingriffe bei Awgiodysplasie
- Operative Behandlung bei Erkrankungen des Lymphabflusses
D Endovaskuläre Eingriffe an Arterien und Venen
- Angiographie (arteriell und venös)
- Angioplastie/Stent/Katheterthrombektomie/Lyse/Hybrid-Eingriffe
- Stent-Graft der Aorta
Facharztprüfung Gefässchirurgie
Die Facharztprüfung in Gefässchirurgie besteht aus zwei Teilen, einer europäischen und einer schweizerischen Komponente.
Teil 1 ist die europäische Prüfung (FEBVS Assessment), die an einem Tag stattfindet. Sie umfasst mündliche und praktische Elemente. Geprüft werden unter anderem die operative Erfahrung anhand des Logbuchs, die kritische Analyse einer wissenschaftlichen Publikation einschliesslich Statistik und Studiendesign sowie die Beurteilung standardisierter klinischer Fallbeispiele. Darüber hinaus führt der Kandidat offene und endovaskuläre Teiloperationen an Modellen durch.
Teil 2 ist die schweizerische praktische Prüfung, die an einem halben Tag direkt am Klinikstandort des Kandidaten stattfindet. Dabei beobachten zwei unabhängige Experten einen grösseren gefässchirurgischen Eingriff, den der Kandidat eigenständig durchführt. Der betroffene Patient wird spätestens am Vortag über die Prüfung informiert und muss zusätzlich zur regulären Einverständniserklärung auch einer Operation unter Prüfungsbedingungen zustimmen.
Dokumentation und Logbuch
Die Weiterbildung wird durch ein e-Logbuch dokumentiert, das vom SIWF vorgegeben wird. Darin müssen alle geforderten Eingriffe, Kenntnisse und Weiterbildungsveranstaltungen nachgewiesen werden. Zusätzlich gelten folgende Anforderungen an künftige Fachärzte für Gefäßchirurgie:
- Mindestzahl geforderter Operationen aus verschiedenen OP-Katalogen
- Regelmässige strukturierte Beurteilungen durch die Weiterbildner
- Teilnahme an anerkannten Kursen und Fortbildungen, etwa zu vaskulären Nähten, Kathetertechniken oder Notfallmanagement
- Bestehen der Facharztprüfung nach erfolgreicher Absolvierung der Weiterbildungszeit
Jobs als Facharzt Gefässchirurgie
Nach Abschluss der Facharztweiterbildung in Gefässchirurgie eröffnen sich vielfältige Karrierewege sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Gefässchirurgen arbeiten häufig als Oberärzte in Spitälern mit vaskulärem Schwerpunkt oder an universitären Zentren, wo sie Teil interdisziplinärer Teams sind, etwa im Rahmen von Gefässzentren oder in Kooperation mit der interventionellen Radiologie und Angiologie. Auch die Selbstständigkeit in einer chirurgischen Praxis mit Schwerpunkt Gefässmedizin ist eine realistische Option, insbesondere in Regionen mit entsprechender Nachfrage.
Zusätzliche Qualifikationen, etwa in endovaskulärer Chirurgie oder hybriden Eingriffstechniken, können das berufliche Profil als Facharzt für Gefässchirurgie weiter schärfen. Nicht zuletzt bieten sich Tätigkeiten in der Forschung, Lehre oder im medizinischen Qualitätsmanagement an – etwa im Rahmen von Weiterbildungsinstitutionen, Fachgesellschaften oder klinischen Studienzentren. Die passende Stelle gibt es hier.