
Die Oto-Rhino-Laryngologie (ORL), zu Deutsch Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder kurz HNO, ist ein medizinisches Fachgebiet mit grosser fachlicher Breite. Sie umfasst die Abklärung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen des Ohres, der Nase, des Nasenrachenraums, der oberen Luft- und Speisewege, des Kehlkopfs sowie angrenzender Strukturen im Hals-, Gesichts- und Schädelbereich. Die Weiterbildung zum Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie in der Schweiz vermittelt fundierte Kenntnisse in der konservativen und operativen Versorgung von Patienten jeden Alters.
Inhaltsverzeichnis
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Tätigkeiten
Das fachliche Spektrum der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ist besonders breit und betrifft zahlreiche Strukturen des Kopf-Hals-Bereichs. HNO-Ärzte behandeln nicht nur Erkrankungen des Gehörs und der Gleichgewichtsorgane, sondern auch der Nase und Nasennebenhöhlen, der Mundhöhle, des Rachens, des Kehlkopfes, der Speicheldrüsen, der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen sowie der Halsweichteile und der Tränenwege.
Da in diesem anatomisch komplexen Bereich oft mehrere Strukturen gleichzeitig betroffen sind, ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit angrenzenden Fachgebieten wie der Neurochirurgie, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, der Inneren Medizin, Endokrinologie oder Medizinischen Onkologie fester Bestandteil des klinischen Alltags. HNO-Ärzte arbeiten sowohl diagnostisch als auch therapeutisch, wobei das Spektrum von konservativen Verfahren bis hin zu hochspezialisierten chirurgischen Eingriffen reicht. Mehr zu Karriere und Aufgaben als Oto-Rhino-Laryngologe:
Übersicht aller Facharztausbildungen und Fachrichtungen:
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Voraussetzungen
Für die Facharztweiterbildung Oto-Rhino-Laryngologie wird ein abgeschlossenes Medizinstudium mit eidgenössischem Arztdiplom oder einem anerkannten gleichwertigen Abschluss verlangt. Zudem werden Sprachkenntnisse in der jeweiligen Landessprache der Weiterbildungsstätte vorausgesetzt.
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Dauer und Gliederung
Die Weiterbildung dauert insgesamt fünf Jahre und ist vollständig fachspezifisch ausgerichtet. Mindestens zwei Jahre müssen an einer Weiterbildungsstätte der Kategorie A absolviert werden, während maximal drei Jahre an einer Kategorie-B-Stätte und maximal ein Jahr an einer Kategorie-C-Stätte möglich sind. Zusätzlich ist ein Klinikwechsel verpflichtend: Mindestens ein Jahr muss an einer zweiten Weiterbildungsstätte an einem anderen Spital geleistet werden.
Mindestens sechs Monate der Weiterbildung sind im ambulanten Bereich (Poliklinik, Ambulatorium oder Praxisassistenz) nachzuweisen. Eine Praxisassistenz in einer anerkannten Arztpraxis kann bis zu sechs Monate angerechnet werden. Wichtig ist, dass während der Praxisassistenz jederzeit ein erfahrener Facharzt zur Verfügung stehen muss.
Maximal ein Jahr kann zudem im Schwerpunktgebiet Hals- und Gesichtschirurgie an einer Weiterbildungsstätte der Kategorie A oder B angerechnet werden. Auch wissenschaftliche Tätigkeiten werden berücksichtigt: Eine medizinische Forschungstätigkeit kann nach vorgängiger Genehmigung durch die Titelkommission bis zu sechs Monate angerechnet werden.
Wer ein MD-PhD-Programm erfolgreich abgeschlossen hat, kann dieses ohne weitere Bewilligung mit bis zu einem Jahr in die Weiterbildung einbringen, unabhängig vom gewählten Forschungsschwerpunkt.
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Inhalte der Weiterbildung
Die Weiterbildung zum Facharzt für Oto-Rhino-Laryngologie deckt ein breites medizinisches Spektrum ab und legt den Fokus auf die Entwicklung fundierter theoretischer Kenntnisse sowie praktischer Fertigkeiten. Im Rahmen der fünfjährigen Weiterbildung erwerben angehende Fachärzte umfassende Kompetenzen in allen zentralen Bereichen der HNO-Heilkunde.
Theoretische Kenntnisse
- Chirurgische und bildgebende Anatomie von Ohr, Nase, Nasennebenhöhlen inkl. Tränenwege, Mund, Oro-, Epi- und Hypopharynx, Larynx, Bronchien, Speiseröhre, Speicheldrüsen, Schilddrüse und Nebenschilddrüsen, Gesicht und Hals, Hirnnerven sowie deren Beziehungen zu den Nachbarorganen
- Funktion von Hör- und Gleichgewichtsorgan, Gesichts- und anderen Hirnnerven, Nase inklusive Geruchsinn, Larynx, lymphoepithelialen Organen, Speicheldrüsen, Schilddrüse und Nebenschilddrüsen, Geschmacksinn und Schluckablauf
- Ätiologie, Epidemiologie, Pathogenese und Prognose von oben genannten Krankheiten, Fehlbildungen und Verletzungen
- Allgemeine und fachspezifische Diagnostik und Differenzialdiagnostik von oben genannten Krankheiten, Fehlbildungen und Verletzungen
- Abklärung und Behandlung von Patienten mit Schwindel (Neurootologie)
- Abklärung und Behandlung von Patienten mit Hörstörungen (Audiologie)
- Pathophysiologie, Beurteilung und Indikationsstellung chirurgischer oder konservativer Behandlung von Infekten, Fehlbildungen, Traumen und Tumoren der oben genannten Organe
- Prinzipien der onkologischen Behandlung maligner Tumore der oben genannten Organe einschliesslich der Betreuung palliativ-medizinisch zu versorgenden Patienten
- Betreuung palliativ-medizinisch zu versorgender Patienten mit Erkrankungen im Fachbereich der ORL, insbesondere
- die Schmerztherapie nach Richtlinien der WHO
- die Behandlung und Betreuung von Patienten mit oberen Atemwegsobstruktionen, insbesondere von tracheotomierten Patienten
- die Betreuung von Patienten mit Schluck- und Ernährungsstörungen sowie von Patienten mit perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG-Sonde)
- Gesprächsführung mit den Patienten und deren Angehörigen in Bezug auf ein unheilbares Leiden
- Abklärung des Reanimationswillens Patientin oder des Patienten sowie einer Patientenverfügung
- Grundlagen der Lasertechnik
- Prinzipien der Begutachtung im Fachbereich inklusive Tätigkeit als Expertin oder Experte betreffend Hörgeräteversorgung
- Grundlagen der Pädiatrischen Otorhinolaryngologie
- Grundlagen der plastisch-rekonstruktiven und ästhetischen Gesichtschirurgie
- Grundlagen der Phoniatrie und Pädaudiologie
- Physiologie, Pathophysiologie, Epidemiologie und Differentialdiagnose der allergischen Krankheiten im ORL-Gebiet einschliesslich der Notfallbehandlung des anaphylaktischen Schocks (dazu gehören Kenntnisse der Rolle von Vererbung und Umwelt (Verschmutzung, Allergene) und Saisonalität, zu allergischen Reaktionstypen und Modellen des atopischen Formenkreises sowie zu diagnostischen Laboruntersuchungen, prophylaktischen und therapeutischen Prinzipien)
- Pharmakotherapie
- Fähigkeit zur Anwendung der im Fachgebiet gebräuchlichen Pharmaka und diagnostisch verwendeten Substanzen unter Berücksichtigung von Pharmakokinetik, Neben- und Wechselwirkungen, Alter, Organinsuffizienzen sowie ihres therapeutischen Nutzens (Kosten-, Nutzenrelation)
- Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen über die Arzneimittelverschreibung (Heilmittelgesetz, Betäubungsmittelgesetz, Krankenversicherungsgesetz und die für den Arzneimittelgebrauch relevanten Verordnungen, insbesondere Spezialitätenliste)
- Kenntnisse über die Arzneimittelprüfung in der Schweiz sowie die hierbei zu beachtenden ethischen und wirtschaftlichen Grundsätzen
- Prinzipien der Abklärung und Behandlung von Schluckstörungen
- Grundlagen der Abklärung und Behandlung schlafbezogener Atemstörungen mit Durchführung und Interpretation von respiratorischen Polygraphien
- Grundlagen über die Technologie und Anwendung der Ultraschalluntersuchung und der Feinnadelpunktion in der ORL
- Grundlagen der Radiodiagnostik (inkl. Strahlenschutz) für konventionelle Röntgenaufnahmen im Niedrigdosisbereich (Schädel)
Zusätzlich kann fakultativ die Teilnahme an einem vom BAG anerkannten Sachverständigenkurs zur Ausbildung in digitaler Volumentomografie (Cone Beam CT) im Niedrigdosisbereich für die Durchführung und Befundung von Anwendungen mit digitalen Volumentomografen (Cone Beam CT) erfolgen.
Praktische Kenntnisse
- Beherrschung und Beurteilung der instrumentellen fachspezifischen Untersuchungstechnik von Ohr, Nase, Nasennebenhöhle, Tränenwege, Mundhöhle, Pharynx, Larynx, Bronchien, Speiseröhre, Gesicht, Hals, Speicheldrüsen, Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
- Durchführung und Interpretation der Gehör- und Gleichgewichtsprüfung (Audiometrie, Neurootologie), Prüfung der Hirnnerven, des Geruchs, Geschmacks, Schluckens und der Stimmbildung
- Abklärung und Behandlung von Kindern mit Erkrankungen im ORL-Bereich, vorzugsweise in einem Kinderspital oder in einer spezialisierten Sprechstunde
- Sonographische Untersuchung der Gesichts- und Halsweichteile. Durchführung von diagnostischen Feinnadelpunktionen und Biopsien
- Beurteilung fachspezifischer Bilder der verschiedenen bildgebenden Verfahren
- Kenntnisse der prä- und postoperativen Behandlung inklusive Rehabilitation
- Durchführung lokaler und regionaler Anästhesien
- Durchführung und Interpretation von audiologischen Untersuchungstechniken: Tonaudiometrie, Sprachaudiometrie, Impedanzaudiometrie, Otoakustische Emissionen (OAE), Audiometrie mittels akustisch evozierter Potentiale
- Erstellung von Hörgeräteexpertisen und Gutachten
- Durchführung und Interpretation von neurootologischen Techniken der Diagnostik und Therapie von peripher-vestibulären Störungen (Kalorik, Nystagmographie, Kopf-Impulstest etc.)
- Erhebung einer detaillierten Anamnese, insbesondere bezüglich Allergien, Umwelt- und anderen Faktoren. Allergologische Screening Untersuchungen (inkl. Durchführung, Ablesen und Interpretation von Hauttesten; Kenntnisse und Behandlung von Komplikationen, insb. des anaphylaktischen Schocks)
- Schluckuntersuchung, Interpretation von Videofluoroskopien
- Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschliesslich lebensrettender Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und Wiederbelebung
- Durchführung und Interpretation von respiratorischen Polygraphien
Operationen und Untersuchungen
Folgende Operationen müssen im Laufe der ORL-Weiterbildung in einer Mindestanzahl als Operateur und/oder Assistent durchgeführt werden:
Operation Operateur Assistenz Äusseres Ohr Ohrmuschelkorrektur, Ohrmuschelrekonstruktionen, Exzision von Fisteln 10 Trommelfell Parazentese/Paukendrainage 40 Mittelohr Tympanoplastik, Kanalplastik 10 Ossikuloplastik, Stapedotomie 5 Astronomie, Mastoidektomie 5 Implantierbare Hörsysteme 5 Radikaloperationen, Eingriffe an der lateralen Schädelbasis 5 Nase und Nasennebenhöhlen Septumplastik 25 Muschelchirurgie 50 Nasenreposition 20 Rhinoplastik, Traumatologische Eingriffe am Mittelgesicht, ästhetische Chirurgie 10 Endoskopische oder mikroskopische NNH-Chirurgie, Transfaziale Eingriffe 30 Mund- und Rachenraum Tonsillektomie/Tonsillotomie 100 Adenotomie 30 Exzision von Schleimhautveränderungen 10 Resektion von Tumoren 10 Rekonstruktive Massnahmen im Mund- und Rachenraum 10 Eingriffe bei schlafbezogen Atemstörungen 5 Larynx, Hypopharynx und Trachea Tracheotomie/Tracheotomieverschluss 10 Endoskopische Operationen benigner Veränderungen 10 Äussere und endoskopische Operationen von malignen Tumoren, Zenker-Divertikel 10 Rekonstruktive Operationen der Trachea, Larynx und Pharynx 5 Hals Abszessinzisionen/Hämatomausräumung 5 Exzision von zervikalen Lymphknoten 10 Exzision von Halszysten und -fisteln 5 Operationen an der Glandula parotis, sublingualis und submandibularis 10 Neck Dissection 20 Zerviko-faziale Rekonstruktionen durch gefässgestielte oder freie Lappenplastik 5 Operationen an der Schilddrüse und den Nebenschilddrüsen 10 Haut von Gesicht/Nase/Ohr/Hals Exzision von Hautveränderungen/Weichteiltumoren, Wundversorgung, Rekonstruktion mit Hautlappen 30 Endoskopien Laryngoskopie/Hypopharyngoskopie im OP 40 Tracheo-Bronchoskopie 20 Oesophagoskopie 20 Sialendoskopie 5
Hinzu kommen folgende Untersuchungen (Richtwert in Klammern):
- Ultraschalluntersuchungen der Halsorgane (200 Stück)
- Audiologie
- 50 Tonaudiogramme, davon mindestens die Hälfte mit Messung der Knochenleitung
- 20 Sprachaudiogramme deutsch, französisch oder italienisch
- 30 Impendanzmessungen (Tympatnometrie und Stapediusreflexe)
- Interpretation und Bekundung objektiver Audiometrien
- 30 OAE, davon mindestens 20 mit pathologischen Befunden
- 30 akustisch evozierte Potentiale, davon mindestens 20 mit pathologischen Befunden
- Selbstständig erstellte Hörgeräteexpertisen
- Neurootologie: Klinisch neurootologische Untersuchungen an 100 Patienten
- Interpretation und Bekundung von apparativen Abklärungen: 50 apparative Untersuchungen des Gleichgewichtsorgans, davon mindestens 20 mit pathologischen Befunden (Kalorie, Nystagmographie, VEMP, Drehstuhl, Video-KIT)
- Schlafbezogene Atemstörungen: 20 respiratorische Polygraphien
Gesundheitsökonomie und Ethik
- Erwerb der Kompetenz in der medizinisch-ethischen Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Betreuung von Gesunden und Kranken. Dies beinhaltet folgende Lernziele:
- Kenntnis der relevanten medizinisch-ethischen Begriffe
- Selbständige Anwendung von Instrumenten, die eine ethische Entscheidungsfindung erleichtern
- Selbständiger Umgang mit ethischen Problemen in typischen Situationen (beispielsweise Patienteninformation vor Interventionen, Patientenverfügungen, Forschung am Menschen, Bekanntgabe von Diagnosen, Abhängigkeitsbeziehungen, Entscheidungen am Lebensende, Sterbebegleitung)
- Gesundheitsökonomie Erwerb der Kompetenz im sinnvollen Einsatz der diagnostischen, prophylaktischen und therapeutischen Mittel bei der Betreuung von Gesunden und Kranken. Dies beinhaltet folgende Lernziele:
- Kenntnis der relevanten gesundheitsökonomischen Begriffe
- Selbständiger Umgang mit ökonomischen Problemen
- Optimaler Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen.
Patientensicherheit
- Kenntnis der Prinzipien des Sicherheitsmanagements bei der Untersuchung und Behandlung von Kranken und Gesunden
- Kompetenz im Umgang mit Risiken und Komplikationen
- Erkennen und Bewältigen von Situationen, bei welchen das Risiko für unerwünschte Ereignisse erhöht ist
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Facharztprüfung
Die Facharztprüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil. Der schriftliche Teil wird im Rahmen des European Examination Board in Oto-Rhino-Laryngology als Multiple-Choice-Prüfung abgehalten. Die mündlich-praktische Prüfung in der Schweiz dauert 60 bis 90 Minuten und gliedert sich in drei Teilprüfungen zu je 20 bis 30 Minuten. Geprüft werden ein durch den jeweiligen Kandidaten eingereichter Fall, ein oder mehrere durch die Experten ausgewählte Patientendossiers sowie ärztliche Kompetenzen im direkten Patientenkontakt.
Beide Prüfungsteile müssen bestanden werden. Die Bewertung erfolgt mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Der mündliche Teil gilt nur als bestanden, wenn alle drei Abschnitte mindestens als „genügend“ bewertet wurden.
Dokumentation und Logbuch
Während der Weiterbildung ist ein elektronisches Logbuch (e-Logbuch) zu führen. Dieses dokumentiert systematisch alle absolvieren Ausbildungsinhalte, erworbenen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten. Das Logbuch dient als Grundlage für die regelmässige Beurteilung durch Weiterbildungsverantwortliche und ist Voraussetzung zur Prüfungszulassung.
Facharzt Oto-Rhino-Laryngologie – Passende Jobs
Nach abgeschlossener Weiterbildung stehen vielfältige berufliche Wege offen. HNO-Ärzte arbeiten in Akutspitälern, spezialisierten Kliniken, Rehabilitationszentren, in eigener Praxis oder in Forschung und Lehre.
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