
Die Kantone Genf, Waadt und Wallis haben im Mai 2025 eine gemeinsame Kampagne gegen sexuelle Gewalt lanciert. Mit dieser Sensibilisierungs- und Informationskampagne reagieren sie auf die steigende Zahl sexueller Übergriffe und wollen Betroffene besser unterstützen. Im Zentrum stehen die rund um die Uhr verfügbaren medizinisch-rechtlichen Dienste in den öffentlichen Spitälern, die eine zentrale Rolle in der Versorgung von Opfern sexueller Gewalt spielen.
Zunahme sexueller Gewalt in der Westschweiz
Die Statistik zeigt einen alarmierenden Anstieg der gemeldeten Fälle sexueller Gewalt: In Genf wurden 2024 142 Vergewaltigungen registriert, ein Anstieg von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Wallis stieg die Zahl um 45 Prozent auf 50 Fälle. Die Waadt verzeichnete einen Zuwachs von 9 Prozent mit insgesamt 137 Fällen. Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, bestehende Unterstützungsangebote bekannter zu machen und Vorurteile abzubauen.
Rolle der Ärzte in der Versorgung
In den öffentlichen Spitälern der drei Kantone stehen spezialisierte Teams aus Fachärzten und Rechtsmedizinern bereit, um Betroffenen eine umfassende medizinische Notfallversorgung sowie forensische Befundung in einem geschützten, vertraulichen Rahmen zu bieten. Allein im Jahr 2024 wurden in den drei Kantonen 436 forensische Gutachten erstellt.
Für Ärzte bedeutet dies, nicht nur medizinische Expertise einzubringen, sondern auch eine empathische und traumasensible Betreuung sicherzustellen. Die frühzeitige forensische Dokumentation kann entscheidend für spätere juristische Verfahren sein.
Kampagne mit breiter Reichweite
Die Kampagne setzt auf eine umfassende Kommunikationsstrategie:
- Informationsmaterialien in neun Sprachen (darunter Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Albanisch, Ukrainisch, Arabisch und Tigrinya) werden in Spitälern, Hausarztpraxen, Apotheken, bei der Polizei und in Regionalzügen verteilt
- Videos und Inhalte werden über soziale Netzwerke verbreitet, um insbesondere jüngere Zielgruppen zu erreichen
- Eine zentrale Website (www.agression-sexuelle-urgences.ch) bietet Betroffenen Orientierung und direkten Zugang zu Hilfe
Die Kampagne wurde von Havas Schweiz entwickelt und ist langfristig bis 2027 angelegt. Sie basiert auf einer Studie des Universitätsspitals Genf (HUG) und des Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), die zwischen 2018 und 2021 durchgeführt wurde. Die Analyse ergab, dass Übergriffe häufig in Kontexten wie Partys, Treffen mit bekannten Personen oder über Dating-Apps stattfinden.
Bedeutung für die medizinische Praxis
Ärzte in der Schweiz – besonders in den beteiligten Westschweizer Kantonen – sollten die bestehenden Unterstützungsangebote gut kennen. Nur so können sie Betroffene gezielt informieren und weitervermitteln. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Teams verbessert nicht nur die Versorgung, sondern stärkt auch das Vertrauen der Patienten.
Zudem ist es wichtig, dass medizinisches Personal regelmässig in traumasensibler Kommunikation geschult wird. So lassen sich die besonderen Bedürfnisse von Opfern sexueller Gewalt besser verstehen und respektvoll begleiten. Die neue Kampagne stellt dafür hilfreiche Materialien bereit und fördert den Austausch mit Fachstellen.
Die gemeinsame Initiative der Kantone ist ein wichtiger Schritt. Sie schafft mehr Aufmerksamkeit für das Thema sexuelle Gewalt und hilft, die medizinische Betreuung weiter zu verbessern. Ärzte spielen dabei eine Schlüsselrolle – und sind eingeladen, diese aktiv wahrzunehmen.