
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in npj Digital Medicine, beleuchtet die Benutzerfreundlichkeit der elektronischen Patientenakte aus Sicht von über 1’900 Ärzten in der Schweiz. Die Ergebnisse fallen ernüchternd aus: Die Mehrheit der Befragten sieht weder eine Verbesserung der Patientensicherheit noch eine Effizienzsteigerung durch ihre derzeit eingesetzten Systeme.
Nur durchschnittliche Bewertungen für die Benutzerfreundlichkeit
Die durchschnittliche Benutzerfreundlichkeit elektronischer Patientenakten wurde in der Studie mit 52 Prozent der maximal möglichen Punktzahl bewertet. Besonders auffällig: Die Unterschiede zwischen einzelnen Systemen sind beträchtlich. In Spitälern wurde festgestellt, dass 38 Prozent der Usability-Unterschiede auf das eingesetzte System selbst zurückzuführen sind, 51 Prozent durch Unterschiede innerhalb derselben Institutionen bedingt sind, und 11 Prozent auf individuelle ärztliche Präferenzen oder Erfahrungen entfallen.
Kritikpunkte: Träge Systeme, Warnflut und fehlende Teamfunktion
Die grösste Kritik an der Benutzerfreundlichkeit elektronischer Patientenakten betrifft folgende Aspekte:
- Langsame Reaktionszeiten: Verzögerungen bei Eingaben oder Datenabrufen stören den klinischen Arbeitsfluss
- Übermässige Warnmeldungen: Viele Systeme erzeugen eine sogenannte „Alarmmüdigkeit“ – wichtige Hinweise gehen in der Masse unter
- Fehlende Fehlervermeidung: Unterstützung zur korrekten Dateneingabe ist oft unzureichend oder nicht intuitiv
- Kaum Förderung interprofessioneller Zusammenarbeit: Eine zentrale Funktion in der heutigen vernetzten Medizin bleibt oft auf der Strecke
Diese Faktoren beeinflussen nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern können direkt die Patientensicherheit gefährden – ein alarmierender Befund.
Systemwahl hat erheblichen Einfluss auf die Benutzerfreundlichkeit
Die Wahl des richtigen Systems spielt eine entscheidende Rolle: Die Studie zeigt, dass die Unterschiede in der Benutzerfreundlichkeit elektronischer Patientenakten signifikant sind. Systeme, die bereits frühzeitig auf klinische Nutzungsanforderungen zugeschnitten wurden, schneiden besser ab.
Empfehlungen für Spitäler und Gesundheitseinrichtungen: Digitale Transformation braucht nutzerzentrierte Systeme
Die Autoren der Studie raten zu einer stärkeren Ausrichtung auf die tatsächlichen Anforderungen der klinischen Praxis:
- Benutzerfreundlichkeit als zentrales Kriterium bei der Systemauswahl
- Regelmässige Einbindung von Ärzten in Evaluations- und Entwicklungsprozesse
- Fortlaufende Systemanpassungen durch Feedback-Mechanismen
Nur so könne gewährleistet werden, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen ihr volles Potenzial entfaltet – insbesondere im Hinblick auf Effizienz und Sicherheit.
Fazit: Grosse Potenziale – aber dringender Handlungsbedarf
Die Ergebnisse machen deutlich: Die Benutzerfreundlichkeit elektronischer Patientenakten ist aus Sicht vieler Ärzte in der Schweiz unzureichend. Wenn Systeme ihre Versprechen hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Effizienz einlösen sollen, braucht es gezielte Verbesserungen – sowohl in der Technik als auch in der Implementierungskultur.