
Der erste Arbeitstag nach dem Studium oder der Weiterbildung: Viele junge Ärzte treten motiviert und voller Tatendrang in Kliniken oder Praxen ein. Doch der Alltag – besonders in Spitälern – unterscheidet sich oft deutlich von der idealisierten Vorstellung. Überstunden, administrative Belastungen, enge Zeitpläne und hohe Anforderungen sind Teil des Berufsalltags. Um langfristig motiviert zu bleiben und Frustration nicht überhandnehmen zu lassen, sind Strategien nötig, die sich auf die schweizerische Gesundheitsrealität übertragen lassen.
Warum Frustration dazugehört und was das mit dem Berufsbild zu tun hat
Rückschläge, schwierige Patienten, unerwartete Diagnosen und Systemgrenzen gehören zum ärztlichen Alltag — genauso wie Erfolgserlebnisse. In der Schweiz kommen weitere Belastungen hinzu: etwa unterschiedliche kantonale Gesundheitsvorgaben, hohe Bürokratie, die Abrechnung mit Versicherungen (z. B. Tarmed, Tarifverhandlungen) oder die begrenzte Zeit für Gespräche mit Versicherten. Diese Faktoren verstärken Anspannung und Frustration.
Strategien für den professionellen Umgang mit Frust
Damit Ärzte in der Schweiz langfristig motiviert bleiben, können die folgenden Ansätze helfen:
1. Kollegialer Austausch & Netzwerkpflege
Regelmässiger Dialog mit Kollegen im gleichen Fachgebiet oder mit ähnlichen Herausforderungen kann entlasten – z. B. in interdisziplinären Besprechungen, Fallreflexionen oder Peer-Gruppen. In der Schweiz gibt es regionale ärztliche Netzwerke (z. B. chirurgische Netzwerke in Zürich oder Hausärztenetze in Basel), wo Erfahrungen und Lösungen geteilt werden können.
2. Geduld und Selbstmitgefühl entwickeln
Gerade in der Weiterbildung (z. B. Assistenzarzt) sind viele Fähigkeiten noch im Aufbau. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Perfektion nicht sofort möglich ist. Beispiel: Ein Arzt hält täglich kurz inne, um Atem und Anspannung bewusst wahrzunehmen. Statt sich für Fehler zu verurteilen, erinnert er sich an seine Menschlichkeit – so wächst Geduld und Selbstmitgefühl im Umgang mit Frust.
3. Tagesreflexion & positives Feedback bewusst integrieren
Nach Feierabend oder in ruhigeren Momenten lohnt es sich, den Tag Revue passieren zu lassen:
- Was lief gut?
- Welche kleinen Erfolge gibt es (Patientengespräche, gelungene Interventionen)?
- Wo möchte ich morgen anders oder besser agieren?
Statt sich auf Fehltritte zu fixieren, hilft dieser Fokus auf das Positive, das geistige Gleichgewicht zu bewahren. In Schweizer Spitälern kann man solche Reflexionen in Teamsitzungen oder im Mentoring-Gespräch verankern.
4. Ausgleich schaffen – aktiv regenerieren
Frust vom Dienst ins Privatleben mitnehmen verschärft das Burnout-Risiko. Deshalb ist ein bewusster Ausgleich zentral:
- Bewegung (Spaziergänge, Sportarten, Velofahren)
- Kreative Tätigkeiten (Musik, Werke, Kochen)
- Entspannungsübungen (Achtsamkeit, Meditation)
In der Schweiz bieten viele Kliniken oder Ärzteverbände entsprechende Gesundheitsprogramme oder Kurse zur Stressreduktion. Idealerweise nutzt man solche Angebote.
5. Selbstdiagnose: gezielt nach Ursachen fragen
In extrem frustrierenden Phasen hilft es, systematisch zu untersuchen, was schief läuft:
- Warum bin ich in den ärztlichen Beruf gegangen?
- Erfüllt mich meine jetzige Tätigkeit noch?
- Wann habe ich zuletzt Zufriedenheit empfunden?
- Welche Aspekte empfinde ich als Belastung (Organisation, Zeitdruck, Konflikte)?
- Welche Veränderungen wünsche ich mir?
Diese Art von Bestandsaufnahme kann aufzeigen, ob z. B. ein Wechsel des Spitals, eine Spezialisierung oder ein verstärktes Engagement in Delegation bzw. Teamorganisation sinnvoll wären.