Ob Grippe, Magen-Darm-Infekt oder Unfall: Wer nicht zur Arbeit erscheinen kann, geht zum/-r Arzt/Ärztin und lässt sich dort ein Arztzeugnis ausstellen. Das wird dann dem Arbeitgeber zugestellt und bestätigt die Arbeitsunfähigkeit. Was einfach klingt, weist in der Praxis einige Stolperscheine auf. Damit es nicht zu Problemen mit der Lohnfortzahlung oder dem Kündigungsschutz kommt, muss das Arztzeugnis korrekt ausgestellt werden und pünktlich beim Arbeitgeber eingehen. Welche Formalien und Fristen dabei zu beachten sind, erklärt dieser Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Das Arztzeugnis – Beleg über die Arbeitsunfähigkeit
Im Arbeitsrecht stellen Arztzeugnisse ein wichtiges Beweismittel dar. Ärzte/-innen bescheinigen mit diesem Dokument die zeitweise Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmenden. Um der Beweispflicht zu genügen, muss das Zeugnis schriftlich vorliegen. Die meisten Beschäftigten erhalten den kleinen blauen Zettel, der die wichtigsten Informationen für den Arbeitgeber enthält. Bei Bedarf kann auch ein ausführlicheres Zeugnis in Form eines Briefes ausgestellt werden.
Grosse Bedeutung kommt Arztzeugnissen hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und für den Kündigungsschutz zu. Details zur Lohnfortzahlung sind im Obligationenrecht (Art. 324a OR) sowie in der Vollzugsverordnung zum Personalgesetz (§ 99 VVO) geregelt. Bei vollständiger oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit erhalten Arbeitnehmende im 1. Dienstjahr für drei Monate den vollen Arbeitslohn, anschliessend für weitere drei Monate 75 Prozent. Beschäftigte im zweiten Dienstjahr beziehen in den ersten sechs Monaten nach Krankheitsbeginn den vollen Lohn, für weitere sechs Monate 75 Prozent. Ab dem dritten Dienstjahr haben Arbeitnehmende für eine Dienstausssetzung von bis zu zwölf Monaten Anspruch auf den vollen Lohn.
Das Obligationenrecht legt auch die Vorgaben für den Kündigungsschutz fest (Art. 336 OR). Bei Krankheit und Unfall gelten folgende Sperrfristen, in denen Arbeitnehmenden nicht gekündigt werden darf:
- Dienstjahr: innert der ersten 30 Tage
- bis 5. Dienstjahr: innert er ersten 90 Tage
- ab dem 6. Dienstjahr: innert der ersten 180 Tage
Jede unterschiedliche Erkrankung löst eine neue Sperrfrist aus. Kann man also zunächst wegen einer Grippe nicht auf der Arbeit erscheinen kann und erleidet am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit einen Unfall, beginnt die Sperrfrist zu diesem Datum erneut zu laufen.
Damit Arbeitnehmende die Lohnfortzahlung erhalten und der Kündigungsschutz in Kraft tritt, müssen sie ihre Arbeitsunfähigkeit eindeutig nachweisen. Genau zu diesem Zweck dient das ärztliche Zeugnis.
Bis wann das Arztzeugnis beim Arbeitgeber sein müssen
Laut VVO ist der Arbeitgeber „unverzüglich“ über die Arbeitsunfähigkeit zu verständigen (§ 100 VVO). Eine gesetzlich vorgegebene Frist zur Abgabe des ärztlichen Zeugnisses gibt es allerdings nicht. Arbeitgeber können grundsätzlich frei festlegen, bis wann das Dokument eingehen muss. Die meisten Arbeitsverträge sehen eine Frist von drei bis vier Arbeitstagen nach Krankheitsbeginn vor.
Einige Arbeitgeber verlangen das Zeugnis nur für Dienstaussetzungen, die länger als eine Woche dauern. Andere möchten die Bescheinigung schon ab dem ersten Krankheitstag sehen. Arbeitnehmende sollten sich daher spätestens bei Krankheitsbeginn über die geltenden Bedingungen informieren.
In der Regel reicht es aus, das Zeugnis per Post zur Arbeitsstelle zu schicken. Die Kosten für das ärztliche Zeugnis trägt der Arbeitnehmer. Eine verspätete Abgabe ist kein Kündigungsgrund, kann sich aber negativ auf die Lohnfortzahlung oder die Zeitaufschreibung auswirken.
In bestimmten Fällen gelten zusätzliche Vorgaben:
Dienstaussetzungen von länger als einem Monat
Wer krankheits- oder unfallbedingt länger als einen Monat nicht zur Arbeit erscheinen kann, muss jeweils zu Beginn der folgenden Monate oder auf besondere Weisung hin ein weiteres ärztliches Zeugnis einreichen (§ 100 Abs. 3 VVO).
Krankheit und Unfall während der Ferien
Wird man in den Ferien krank oder erleidet einen Unfall, tritt die sogenannte Ferienunfähigkeit ein. Arbeitnehmende müssen ihre Krankheitstage während der Ferien ebenfalls durch ein ärztliches Zeugnis belegen. Die betreffenden Tage werden dann nicht als Ferien angerechnet (§ 82 Abs. 2 VVO). Voraussetzung dafür ist, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung dem Zweck der Ferien, der Erholung, entgegensteht.
Ausländisches Arztzeugnis
Manchmal erwischt einen die Krankheit auf einer Auslandsreise. Im Ausland ausgestellte Arztzeugnisse haben grundsätzlich dieselbe Beweiskraft wie ein in der Schweiz ausgestelltes Dokument. Sind sie in der Landessprache verfasst, müssen Arbeitnehmende zusammen mit dem Zeugnis eine beglaubigte Übersetzung einreichen. Zu beachten ist, dass sich das Zeugnis ausdrücklich auf die Ferienunfähigkeit bezieht.
Das Zeugnis erst nach der Rückkehr vom Hausarzt/der Hausärztin ausstellen zu lassen, kann heikel werden. Arbeitgeber haben das Recht, solche rückwirkenden Arztzeugnisse nachprüfen zu lassen.
Krankheit und Unfall an Feiertagen
Anders als Ferientage können Feiertage nicht nachbezogen werden (§ 117 VVO). Feiertage dienen dazu, einen bestimmten Anlass festlich zu begehen, die Erholung steht nicht im Vordergrund. Wer an einem Feiertag krank wird, muss also kein ärztliches Zeugnis vorlegen, erhält aber auch keinen weiteren Tag frei.
Was passiert, wenn Arztzeugnisse zu spät oder nicht eingereicht werden
Wer dem Arbeitsplatz fernbleibt und kein ärztliches Zeugnis vorlegen kann, verstösst gegen eine betriebliche Ordnungsvorschrift. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist dadurch zunächst noch nicht gefährdet. Arbeitnehmende müssen allerdings mit einer Abmahnung rechnen. In der Regel wird der Arbeitgeber das ärztliche Zeugnis zudem nachfordern.
Legen Beschäftigte das Zeugnis auch nach Ablauf der Nachforderungsfrist nicht vor, können Arbeitgeber die Lohnfortzahlung kürzen oder sogar komplett verweigern (§ 103 Abs. 1 lit. c VVO). In diesem Fall sind Betriebe sogar zur fristlosen Kündigung berechtigt.
Anforderungen an ein Arztzeugnis
Ausgestellt werden dürfen Arztzeugnisse nur von Ärzten/-innen. Im kantonalen Personalrecht werden darunter ausschliesslich Personen mit abgeschlossenem Studium der Humanmedizin und einer effektiven Zulassung als Arzt/Ärztin verstanden. Darunter fallen Hausärzte/-ärztinnen, Fachärzte/-ärztinnen und Psychiater/innen, aber keine Psychologen/-innen oder Physiotherapeuten/-innen.
Laut Standesordnung der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) handelt es sich bei ärztlichen Zeugnissen um Urkunden (Art 34 FMH-Standesordnung). Das gilt auch im strafrechtlichen Sinne. Ein falsches Arztzeugnis auszustellen, ist damit strafbar. Ärzte/-innen müssen daher sicherstellen, dass sie die attestierte Arbeitsunfähigkeit auch medizinisch belegen können. Basis bildet eine fachkundige, persönliche Untersuchung des/-r Patienten/-in. Wird das Zeugnis lediglich auf Grundlage von telefonischen Schilderungen des/-r Patienten/-in ausgestellt, ist dies auf dem Dokument entsprechend zu vermerken. Arztzeugnisse, die nicht auf einer persönlichen Konsultation basieren, sind gemäss einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Zürich nicht beweiskräftig (VB.2014.00739, E. 5.2 ff.).
Ärztliches Zeugnis: Form und Inhalt
Gültig sind Arztzeugnisse nur mit Stempel und eigenhändiger Unterschrift des/-r behandelnden Arztes/Ärztin. An die Form sind keine gesetzlichen Anforderungen gestellt. Ärztliche Zeugnisse sollten aber mindestens die folgenden Angaben enthalten:
- Ausstellungsdatum des ärztlichen Zeugnisses
- Konsultationstermin und eventuell Beginn der Behandlung
- Dauer und Umfang der Arbeitsunfähigkeit
Diagnosen werden im ärztlichen Zeugnis grundsätzlich nicht angegeben. Eine Ausnahme besteht, wenn Patienten/-innen den Arzt/die Ärztin ausdrücklich von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden.
Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist klar anzugeben
Arztzeugnisse müssen klar und unmissverständlich formuliert sein. So muss sich klar erkennen lassen, über welchen Zeitraum hinweg die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Kann der Arzt/die Ärztin keine genauen Angaben zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit machen, ist entweder das Datum der nächsten Konsultation zu nennen oder es wird ein Termin für eine erneute Beurteilung des Falles festgelegt und im Zeugnis festgehalten.
Bei einer nur teilweisen Arbeitsunfähigkeit muss der genaue Umfang angegeben werden. Sind Arbeitnehmende teilweise arbeitsfähig, kann das ärztliche Zeugnis auch auf eine eventuelle Ansteckungsgefahr und auf mögliche Einschränkungen bei den Arbeitszeiten eingehen oder aufführen, welche Arbeiten der/die Patient/in aus gesundheitlichen Gründen nicht ausführen darf.
Bestehen Unklarheiten, können Arbeitgeber ein angepasstes Zeugnis oder Ergänzungen verlangen. Sie dürfen sich auch selbst an den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin wenden und dort Auskünfte über die Dauer und den Grad der Arbeitsunfähigkeit einholen. Alle darüberhinausgehenden Informationen zur Erkrankung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.
Gefälligkeitszeugnisse sind unzulässig
Von einem Gefälligkeitszeugnis spricht man, wenn ein/e Arzt/ Ärztin die Arbeitsunfähigkeit eines/-r Patienten/-in bestätigt, obwohl er oder sie weiss, dass die betreffende Person durchaus arbeitsfähig ist. Die FMH-Standesordnung legt ausdrücklich fest, dass Gefälligkeitszeugnisse nicht zulässig sind (Art. 34 FMH-Standesordnung).
Ein Gefälligkeitszeugnis kann zudem strafrechtliche Konsequenzen haben – sowohl für den/die ausstellende/n Arzt/ Ärztin als auch für den/die Patienten/-in. Stellen Ärzte/-innen vorsätzlich ein falsches Zeugnis aus, das zum Erlangen eines unberechtigten Vorteils wie etwa einer Lohnfortzahlung dient, müssen sie mit einer Geldstrafe oder mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Bei fahrlässiger Ausstellung droht ein Bussgeld (Art. 318 Abs. 1 und 2 StGB). Die reine Verwendung gefälschter Urkunden wird ebenfalls strafrechtlich verfolgt. Daher machen sich auch Patienten/-innen strafbar, wenn sie ein solches Gefälligkeitszeugnis bei ihrem Arbeitgeber einreichen (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB).
Rückwirkende Arztzeugnisse
Nicht jede/r sucht direkt am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Arztpraxis auf. Mit einem fiebrigen Infekt oder einer akuten Magen-Darm-Grippe im Wartezimmer zu sitzen, ist schliesslich unangenehm. In solchen Fällen stellen Ärzte/-innen rückwirkende Arztzeugnisse aus. Das ist grundsätzlich zulässig, Voraussetzung ist allerdings, dass der Arzt/die Ärztin aufgrund eigener objektiver Beobachtung bestätigen kann, dass die betreffenden Arbeitnehmenden bereits vor ihrem Besuch in der Praxis erkrankt waren. Lassen sich keinerlei Symptome mehr feststellen, ist auf dem ärztlichen Zeugnis zu vermerken, dass die Ausstellung nach „nach Angabe des/-r Patienten/-in“ erfolgt.
Wie sieht es nun aus, wenn Arbeitnehmende rückwirkend ein ärztliches Zeugnis einreichen, um dadurch eine Kündigung unwirksam werden zu lassen? Bestehen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des rückwirkend ausgestellten Arztzeugnisses, können Arbeitgeber eine erneute Beurteilung durch den/die Vertrauensarzt/-ärztin im Betrieb anordnen.
Vertrauensärztliche Untersuchung: Wenn Zweifel am Arztzeugnis bestehen
Nicht nur an rückwirkend ausgestellten Arztzeugnissen können Zweifel aufkommen. Manchmal lässt auch das Verhalten eines Beschäftigten vermuten, dass keine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit besteht. Haben Arbeitgeber den Verdacht, dass es sich um ein Gefälligkeitszeugnis handelt, können sie eine Nachprüfung oder weitere Informationen verlangen. Ein ärztliches Zeugnis stellt immer nur einen Anscheinsbeweis dar. Das bedeutet, es verbessert die Beweislage für Beschäftigte, die Arbeitsunfähigkeit muss sich aber auch durch weitere Unterlagen wie ärztliche Untersuchungsakten belegen lassen.
Nun darf ein Arbeitgeber zwar keine Einsicht in die Untersuchungsakten verlangen, er kann aber eine vertrauensärztliche Untersuchung veranlassen. Vertrauensärzte/-ärztinnen können Betriebe frei bestimmen. Die Kosten für die vertrauensärztliche Untersuchung sind vom Arbeitgeber zu tragen.
Inwieweit Firmen von ihren Mitarbeitenden verlangen können, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist rechtlich umstritten. Das Recht dazu wird im Allgemeinen aus der Treuepflicht der Arbeitnehmenden abgeleitet. Betriebe können die vertrauensärztliche Untersuchung auch im Arbeitsvertrag oder in einem vertraglich verbindlich vereinbarten Reglement festschreiben. Beschäftigte können die Untersuchung dann zwar verweigern, setzen dadurch aber die Lohnfortzahlung aufs Spiel. Kann die Arbeitsunfähigkeit nicht bewiesen werden, müssen sie eventuell sogar mit einer Kündigung rechnen.
Häufige Fragen
- Was ist ein Arztzeugnis?
- Wann brauche ich ein Arztzeugnis?
- Wie schnell muss ich das Arztzeugnis einreichen?
- Ist eine Kündigung während der Krankheit möglich?
Ein Arztzeugnis ist ein Dokument, mit dem der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin die Arbeits- oder Ferienunfähigkeit eines Beschäftigten schriftlich bestätigt. Relevanz hat es vor allem für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie für den Kündigungsschutz.
Wann genau Beschäftigte ein ärztliches Zeugnis vorlegen müssen, können Arbeitgeber frei festlegen. Viele Betriebe verlangen das Zeugnis erst ab dem dritten oder ab dem fünften Tag der Arbeitsunfähigkeit. Andere möchten die ärztliche Bestätigung bereits ab dem ersten Krankheitstag sehen.
Das ärztliche Zeugnis ist grundsätzlich unverzüglich einzureichen. Bis wann es dem Arbeitgeber spätestens vorliegen muss, ist in der Regel dem Arbeitsvertrag zu entnehmen. Das Zeugnis muss nicht zwingend persönlich im Betrieb abgegeben werden, die postalische Zustellung reicht aus.
Während einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ist für Kündigungen eine Sperrfrist festgesetzt. Für Beschäftigte im ersten Dienstjahr gilt diese innert der ersten 30 Tage nach Krankheitsbeginn, für Beschäftigte im zweiten bis fünften Dienstjahr innert der ersten 90 Tage und für alle weiteren Beschäftigten innert der ersten 180 Tage. Innerhalb dieser Sperrfrist ist keine Kündigung möglich.
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