
Gute Kommunikation ist im Spitalalltag oft schwierig. Unterschiedliche Berufsgruppen arbeiten unter einer hohen Arbeitsbelastung und wechselnde Teams führen rasch zu Missverständnissen oder unvollständigen Informationen. Diese Probleme können nicht nur die Qualität der Behandlung beeinträchtigen, sondern wirken sich im schlimmsten Fall auch negativ auf das Arbeitsklima und die Motivation aus. Eine gezielte Förderung der Kommunikationskultur, besonders durch Elemente der Selbstorganisation bietet Spitälern in der Schweiz die Chance die internen Abläufe klarer und sicherer zu gestalten. Der folgende Beitrag zeigt Verbesserungsmöglichkeiten und Chancen.
Inhaltsverzeichnis
Kommunikationsprobleme im Spital: Bestandsaufnahme
In vielen Kliniken ist das Zusammenwirken von Ärzten, Pflegepersonen und weiteren Berufsgruppen von Zeitdruck und komplexen Abläufen geprägt. Die Verantwortlichkeiten sind nicht immer eindeutig definiert. Daher besteht das Risiko, dass Informationen etwa bei Schichtwechseln oder zwischen verschiedenen Abteilungen verloren gehen können.
Dazu kommt, dass jede Berufsgruppe andere Prioritäten setzt und diese interdisziplinär unterschiedlich gesichtet werden. Während der Pflege eine lückenlose Dokumentation wichtig ist, legen Ärzte oft den Fokus auf schnelle und fundierte Entscheidungen. Studien zur Patientensicherheit zeigen, dass genau solche Missverständnisse zu den häufigsten Ursachen vermeidbarer Fehler zählen.
Selbstorganisation: Ein moderner Lösungsansatz
Um die oben genannten Kommunikationsprobleme konstruktiv zu verbessern, ist ein moderner Lösungsansatz die Selbstorganisation. Sie bedeutet nicht, dass bestehende Strukturen vollständig aufgelöst werden. Vielmehr geht es darum, den Teams mehr Eigenverantwortung bei der Gestaltung ihrer Abläufe einzuräumen und Entscheidungsbefugnisse transparent zu regeln.
Pilotprojekte wie „Meine Station“ in Deutschland haben gezeigt, dass sich durch solche Modelle die Qualität der Zusammenarbeit und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden spürbar verbessern lassen. Auch in der Schweiz gibt es Kliniken, die ähnliche Ansätze aufgreifen. So werden beispielsweise am Kantonsspital Winterthur Elemente der Selbstorganisation in Teilbereichen bereits erprobt. Hierfür werden zum Beispiel feste Zuständigkeiten für Übergaben definiert, klare Rollen vergeben und regelmäßige Reflexionsgespräche durchgeführt.
Methoden für effektive Kommunikation
Damit Selbstorganisation wirksam werden kann, braucht es verlässliche Werkzeuge und Standards. In vielen Häusern hat sich zum Beispiel das SBAR-Schema etabliert, welches die Informationsweitergabe nach einer klaren Struktur ordnet: Situation, Background, Assessment, Recommendation.
Beispiel aus dem Stationsalltag: Eine Pflegefachkraft informiert den diensthabenden Arzt über eine Patientin mit auffälligen Vitalwerten.
- S (Situation): „Frau Meier auf Zimmer 204 hat seit 15 Minuten einen Blutdruck von 85/50 und wirkt benommen.“
- B (Background): „Sie wurde gestern wegen eines Harnwegsinfekts mit Fieber aufgenommen, erhält Ceftriaxon i.v. und trinkt wenig.“
- A (Assessment): „Ich vermute eine beginnende Kreislaufinstabilität oder ein Volumenmangel.“
- R (Recommendation): „Ich empfehle, dass Sie sie rasch beurteilen und ggf. Flüssigkeit anordnen.“
Oder im OP-Bereich:
- S: „Der Patient Müller zeigt während der OP einen raschen Blutdruckabfall auf 70/40.“
- B: „Er hatte vor zwei Monaten einen Myokardinfarkt, ist vorbelastet, keine Antikoagulation.“
- A: „Es könnte sich um eine Blutung oder eine kardiale Dekompensation handeln.“
- R: „Ich schlage vor, den Chirurgen sofort zu informieren und den Anästhesisten hinzuzuziehen.“
Ergänzend kommen Kurzbesprechungen zum Schichtbeginn, Checklisten für kritische Situationen und Feedbackrunden nach wichtigen Ereignissen zum Einsatz. Diese Instrumente helfen, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln und Erwartungen offen zu klären, ohne dass entscheidende Punkte untergehen.
Kommunikation zur Routine machen
Kommunikation ist keine Kompetenz, die mit einer einmaligen Schulung einfach so erworben werden kann. Sie lebt vielmehr davon, dass Teams sie im Alltag immer wieder einüben und ganz bewusst pflegen. Verschiedene Kliniken in der Schweiz setzen daher auf regelmässige interdisziplinäre Trainings und Simulationen.
So üben Mitarbeitende beispielsweise in der Notaufnahme Lausanne bestimmte Szenarien, um sich besser auf Stresssituationen vorzubereiten und Routinen zu entwickeln. Unterstützend wirken zudem Mentoring-Programme, bei denen erfahrene Kollegen Kommunikation vorleben und jüngere Mitarbeitende begleiten.
Voraussetzungen für nachhaltige Verbesserungen
Wer Kommunikation und Selbstorganisation stärken möchte, muss im Spital verbindliche Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört einerseits die Unterstützung durch die Klinikleitung, andererseits aber auch eine offene Fehlerkultur, die konstruktives Feedback zulässt. Zeitfenster für kurze Besprechungen und Reflexionen sollten fest eingeplant sein. Wichtig ist ausserdem, dass im Team bekannt ist, in welchem Rahmen eigenverantwortliches Handeln möglich ist und Prozesse zur Orientierung klar definiert werden.
Fazit
Kommunikation ist die Grundlage für eine sichere und erfolgreiche Versorgung von Patienten. Selbstorganisation bietet Kliniken in der Schweiz die Option, Verantwortlichkeiten besser zu verteilen und die Zusammenarbeit insgesamt nachhaltig zu verbessern. Voraussetzung ist allerdings, dass im Team Abläufe gemeinsam gestaltet sowie verbindliche Standards eingeführt und regelmäßig reflektiert werden. So entsteht eine Stationskultur, die Missverständnisse verringert und den Arbeitsalltag für alle Akteure erleichtert.