
Eine Befragung, die in der aktuellen Ausgabe des Swiss Medical Weekly erschienen ist, zeigt ein deutliches Bild: Ein Grossteil der Spitalärzte in der Schweiz möchte sein Arbeitspensum reduzieren. Mehr als 60 Prozent gaben an, weniger arbeiten zu wollen und die meisten halten das auch für realisierbar. Parallel dazu belegt eine weitere Untersuchung eines Schweizer Forschungsteams, dass Teilzeitarbeit die Versorgungsqualität nicht beeinträchtigt. Zusammen ergibt sich daraus eine klare Botschaft: Die Arbeitswelt in den Spitälern verändert sich.
Weniger Pensum gewünscht
Heute arbeitet die Mehrheit der Spitalärzte mit einem Pensum von 90 bis 100 Prozent. Eine Vollzeitstelle entspricht 42 Wochenstunden, wobei die gesetzlich erlaubte Höchstarbeitszeit von 50 Stunden nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. In der Praxis kommen jedoch Dienste, Nachtarbeit und Bereitschaften hinzu – eine hohe Belastung, die viele Ärzte spüren.
Studien-Übersicht
- Barbara Jarmila Germann, Julia Frey, Alain Soltermann, Janna Küllenberg: «„A good physician works full-time?“– a mixed-methods study on (mis)conceptions about part-time work in hospitals», in: «Swiss Medical Weekly», August 2025.
- Bretagne L, Roten C, Mosimann S, et al: «Association of part-time clinical work of hospitalists with efficiency and quality of care on medical wards: a retrospective study», in: «BMJ Open», August 2025.
Das angestrebte Pensum liegt im Durchschnitt bei rund 80 Prozent, also etwa einem Tag pro Woche weniger. Besonders ausgeprägt ist der Wunsch nach Entlastung bei Ärzten zwischen 41 und 50 Jahren, die im Schnitt 76 Prozent anstreben. Unter 30-Jährige wünschen sich im Mittel 88 Prozent, über 50-Jährige rund 82 Prozent. Damit zeigt sich: Der Wunsch nach mehr Balance zieht sich durch alle Generationen, erreicht jedoch in der Mitte des Berufslebens seinen Höhepunkt – genau dort, wo die Doppelbelastung aus Beruf und Familie besonders stark ist.
Hinzu kommt, dass viele Spitäler nach wie vor auf hohe Präsenzzeiten setzen, während die jüngere Ärztegeneration andere Vorstellungen von Karriere und Alltag hat. Längere Dienste werden immer weniger als „notwendige Härte“ akzeptiert. Stattdessen wächst das Bewusstsein, dass übermässige Arbeitszeiten die Gesundheit belasten, das Privatleben einschränken und langfristig auch die Patientensicherheit gefährden können.
Teilzeit und Versorgungsqualität
Die eingangs erwähnte Untersuchung liefert hierzu einen wichtigen Befund. Auf drei internistischen Stationen in Schweizer Spitälern wurde geprüft, ob das Arbeitspensum die Qualität der Versorgung beeinflusst. Ergebnis: In der Stichprobe zeigte sich kein Unterschied zwischen Voll- und Teilzeitärzten. Patientensicherheit und Behandlungsstandards blieben auf hohem Niveau.
Damit ist eine verbreitete Sorge vieler Spitalleitungen entkräftet. Weniger Präsenz bedeutet nicht automatisch schlechtere Versorgung. Entscheidend sind vielmehr gut organisierte Abläufe, klare Übergaben und eine ausreichende personelle Besetzung. Wenn diese Faktoren stimmen, bleibt die Qualität unabhängig vom individuellen Pensum konstant.
Für Spitäler eröffnet sich damit die Möglichkeit, stärker auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen und flexiblere Modelle einzuführen – ohne Abstriche bei der Versorgung. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist das ein wichtiges Signal. Teilzeit ist keine Notlösung, sondern kann Teil einer modernen Personalstrategie sein.
Bedeutung der Ergebnisse
Die beiden Studien ergänzen sich ideal: Auf der einen Seite steht der Wunsch der Ärzte nach mehr Freizeit, auf der anderen die Evidenz, dass dies mit hoher Versorgungsqualität vereinbar ist. Damit gibt es stichhaltige Argumente, die Organisation der Arbeitszeit neu zu denken.
Spitäler sind gefordert, verbindliche Teilzeitangebote, Jobsharingmodelle und eine vorausschauende Personalplanung einzuführen. Besonders Ärzte im mittleren Alter könnten so entlastet werden, ohne dass die Patientenversorgung leidet.
Denn klar ist: Das medizinische Personal ist eine der knappsten und zugleich wertvollsten Ressourcen im Gesundheitswesen. Wer Ärzte langfristig halten will, muss ihre Arbeitskraft nachhaltig einsetzen, ihre Gesundheit schützen und auf ihre Wünsche eingehen. Der Arbeitsmarkt ist inzwischen so angespannt, dass Spitäler auf Dauer nicht umhinkommen, ihre Strukturen den Bedürfnissen der Angestellten anzupassen. Andernfalls droht Abwanderung – sei es ins Ausland, in andere Fachrichtungen oder in den ambulanten Bereich, wo Arbeitszeiten oft besser planbar sind.
Fazit
Der Wunsch nach weniger Arbeitszeit ist keine individuelle Laune, sondern Ausdruck einer strukturellen Notwendigkeit. Spitäler können es sich angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, diese Signale zu ignorieren. Flexible Pensen und Teilzeitmodelle sind kein Risiko, sondern ein Instrument, um die wichtigste Ressource im Gesundheitswesen zu schützen – das Personal.
Nur wenn Ärzte in einem Rahmen arbeiten können, der sie nicht dauerhaft überlastet, bleiben Motivation, Kompetenz und Verlässlichkeit erhalten. Eine moderne Personalpolitik, die flexible Arbeitszeitmodelle aktiv fördert, wird damit zum Schlüsselfaktor für die Zukunft. Wer das Personal schützt, sichert die Stabilität der Versorgung.