
Ärzte und Ärztinnen können nicht nur im ambulanten und im stationären Sektor arbeiten, sondern ebenso als medizinische Sachverständiger tätig sein. Laut des Schweizer Berufsverbands der Ärzte (Foederatio Medicorum Helveticorum, FMH) arbeiteten 2017 weniger als zwei Prozent als ärztliche Gutachter. Welche Aufgaben für diese Tätigkeit charakteristisch sind und welches Gehalt ein Arzt als Gutachter erwarten kann, wird hier beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
Definition eines Gutachters
Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und von Leistungsansprüchen gegenüber der Invalidenversicherung (IV), der obligatorischen Unfallversicherung (UVG), der Militärversicherung oder anderer (Sozial-)Versicherungen ist die Situation nicht immer sofort glasklar. In solchen Fällen wird ein ärztlicher Gutachter damit betraut, die Situation zu überprüfen. Sein medizinisches Gutachten ist beispielsweise entscheidend bei der Frage, ob ein Patient einen Leistungs- oder Rechtsanspruch gegenüber einem Versicherungsträger hat. Auf seine Beurteilung wird besonders vertraut, weil der Arzt als Gutachter unabhängig vom bisherigen Behandlungsverlauf ist.
Arbeitet der medizinische Sachverständige zudem nicht für den Versicherungsträger selbst, sondern bei einer Gutachterstelle oder in einer eigenen Praxis, gilt sein Gutachten als besonders beweiskräftig. In diesem Fall spricht man von einem sogenannten versicherungsexternen Gutachten, das vor Gericht ebenfalls eine hohe Beweiskraft hat.
Ein ärztlicher Gutachter kann aber auch direkt bei einem Versicherungsträger angestellt sein und erstellt im Zuge dessen versicherungsinterne Gutachten. Diese versicherungsinterne Art der Gutachten geniesst allerdings nicht den gleichen Stellenwert wie versicherungsexterne Gutachten.
Aufgaben und Tätigkeiten
Zu den Aufgaben und Tätigkeiten als medizinischer Sachverständiger können gehören:
- Prüfen der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für bestimmte Versicherungsleistungen (unter Zuhilfenahme der Akten, durch Kontakt mit behandelnden Ärzten und Ärztinnen oder weiteren Leistungserbringern)
- Klinische und radiologische Untersuchung von Patienten/Versicherten zur Beurteilung ihrer medizinischen Situation und/oder ihrer Arbeitsfähigkeit
- Auftragserteilung bei weiteren Gutachtern (beispielsweise aus anderen medizinischen Fachgebieten)
- Koordination aller beteiligten Gutachter, Sachbearbeiter und weiterer Experten
- Erstellen von Beurteilungen, Berichten und Gutachten
- mündliche und schriftliche Begutachtung von Fachfragen
- Teilnahme an Fallbesprechungen sowie bei Gerichtsverhandlungen
Voraussetzungen und Ausbildung
Damit ein Arzt als Gutachter arbeiten kann, sind bestimmte fachliche und persönliche Anforderungen zu erfüllen. Eine konkrete Ausbildung gibt es in der Schweiz derzeit nicht, dafür allerdings einige vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) offiziell anerkannte Weiterbildungen (durch die Swiss Insurance Medicine (SIM) und der am Universitätsspital Basel angegliederten Academy of Swiss Insurance Medicine (asim)).
Eine zentrale Voraussetzung ist die Fachkompetenz in einer medizinischen Disziplin. Dazu gehört mindestens ein spezialärztlicher Titel, idealerweise ein Facharzttitel. Dies zählt ebenso dann, wenn dieser Titel im Ausland erworben wurde. Des Weiteren sind vertiefte versicherungsmedizinische Kenntnisse wichtig. Darüber hinaus sind juristische Kenntnisse zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, den Rechtsquellen und der Rechtsprechung wünschenswert.
Zu den wesentlichen persönlichen Voraussetzungen zählt, dass jedem Patienten oder Versicherten mit Unabhängigkeit und Unbefangenheit begegnet wird. Objektive Gesichtspunkte und eine systematische, lösungsorientierte Arbeitsweise zeichnen einen erstklassigen Gutachter aus. Sie bilden die Grundlage dafür, dass das Gutachten und sein medizinischer Inhalt auch für Nichtmediziner bei Gericht oder beim Versicherungsträger nachvollziehbar ist. Außerdem ist die erfolgreiche Kommunikation mit diversen Personen und Hierarchien essenziell, genauso wie Entscheidungsfreudigkeit und sich exponieren zu können – etwa vor Gericht.
Arbeitsbedingungen
Viele Gutachter üben ihre Tätigkeit nicht in Vollzeit aus, halten sich das Wochenende frei und genießen eine abwechslungsreiche Arbeit. Die konkreten Arbeitsbedingungen als ärztlicher Gutachter hängen allerdings davon ab, ob man selbstständig, in einer Gutachterstelle oder bei einem Versicherungsträger arbeitet.
In der Versicherungsmedizin ist die Arbeit grundsätzlich interdisziplinär, da man medizinische, versicherungsmedizinische und juristische Kompetenzen vereint und mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen, wie der (Renten-)Sachbearbeitung, Berufsberatung oder der Eingliederungshilfe, zusammenarbeitet.
Gehalt
Löhne sind ein heikles Thema in der Schweiz. Das Gehalt als ärztlicher Gutachter zu bestimmen ist aufgrund dessen schwierig konkret zu benennen und hängt vor allem davon ab, ob man angestellt ist oder auf eigene Rechnung arbeitet.
Auch die Menge an zu erstellenden Gutachten nimmt Einfluss auf das Gehalt, das ein Arzt als Gutachter verdienen kann. Ein Beispiel: Ein Gutachter bei einem Schweizer Versicherer würde auf der Position “Senior Consultant” ein Grundgehalt zwischen 160’000 und 170’000 Schweizer Franken verdienen.
Gibt es Vorteile im Gegensatz zur Klinik?
Für die Tätigkeit als Gutachter oder Gutachter ist eine Weiterbildung notwendig. Dies könnte viele Mediziner vorerst aufgrund ihrer bisherigen langen Ausbildung eher abschrecken. Nichtsdestotrotz gibt es zahlreiche Vorteile gegenüber einer Tätigkeit in der Klinik, welche im Folgenden aufgelistet sind:
- kein Facharzttitel notwendig, Facharzttitel aus dem Ausland genügt
- keine Wochenendarbeit
- keine Vollzeit notwendig (je nach Arbeitgeber)
- abwechslungsreiche Tätigkeit
- interdisziplinäre Arbeit
- exponierte, prestigebehaftete Position
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