
Arzt-Arbeitszeiten sollen sinken: vsao stellt Massnahmen vor
Regelmässig erfasst der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte/-innen Daten über Arbeitssituationen sowie -bedingungen. Sieht der Schweizer Gesetzgeber eine Höchstgrenze für Arbeitszeiten vor, so ist diese in der Praxis meist ohne Relevanz. Es herrscht ein Ärztemangel. Zumindest ist dies in Bezug auf Vollzeitbeschäftigte zu beobachten, denn Medizinstudierende und Assistenzärzte/-ärztinnen rücken in relativ hoher Anzahl nach. Doch zunehmend mehr Ärzte/-innen halten den häufigen Überstunden nicht stand und wechseln in Teilzeit und Halbtags-Beschäftigungsverhältnisse. Im Resultat verschafft das den verbleibenden Vollzeit-Assistenz- und -Fachärzten/-innen noch mehr Arbeitszeit, wie der vsao im Rahmen einer Umfrage nun belegt. Der vsao sieht hier grossen Handlungsbedarf vor allem durch eine Senkung der Arzt-Arbeitszeiten und schlägt Massnahmen vor.
Gesetzlich festgelegte Arbeitszeiten
Der Schweizer Gesetzgeber hat für angehende und ausgebildete Ärzte/-innen im Arbeitsrecht eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden festgesetzt. Das ergibt bei einer Sieben-Tage-Woche im Durchschnitt eine tägliche Arbeitszeit von 7,14 Stunden und bei einer Fünf-Tage-Woche zehn Arbeitsstunden. Überstunden sind im Ausnahmefall bis zu zwei Stunden erlaubt. Im Kalenderjahr dürfen diese laut Gesetzgeber allerdings nicht die Grenze von insgesamt 140 Stunden überschreiten. Hier liegt der Durchschnittswert bei etwa elf Überstunden pro Monat, wodurch wöchentliche Mehrstunden von maximal zwei Stunden und 45 Minuten zumindest theoretisch vorgeschrieben sind. In der Realität sieht dies laut vsao-Studien ganz anders aus und zahlreich arbeiten Ärzte/-innen bereits bis zu ihrer Erschöpfungsgrenze oder darüber hinaus.
Arbeitszeit-Fakten
Die aktuelle sowie vorangegangene Studien ergeben immer das gleiche Ergebnis: zwei von drei Jungärzten/-ärztinnen arbeiten deutlich mehr als das Gesetz als Arbeitszeitgrenze vorsieht. Bis zur Erschöpfung wollen sie nicht arbeiten, aber die Gegebenheiten vor Ort und Personalplanungen lassen häufig keine anderen Optionen zu. Bei älteren und Oberärzten/-ärztinnen ist es jede/r Zweite, der/die über der Maximal-Stundenzeit liegt. Wenngleich hier keine vollständigen Angaben ermittelt wurden, so ist von 56 Stunden als „normale“ Wochenarbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten auszugehen.
Massnahmen erforderlich
Es ist die starke Überbelastung, die Assistenz- bis Oberärzte/-ärztinnen bis an ihre körperliche und psychische Grenze kommen lassen – und manchmal sogar darüber hinaus. Der vsao ist sich mit dieser Berufsgruppe einig darüber, dass der immens hohe Verantwortungsbereich für die Gesundheit höchste Konzentration abfordert und diese häufig auch über Leben und Tod entscheidet. Das Schweizer Gesetz ändert allerdings nicht an den herrschenden Zuständen, sodass der vsao jetzt eine andere Massnahme vorschlägt.
Reduzierung der gesetzlichen Wochenstunden
Für Arbeitnehmer/innen aller anderen Berufsgruppen sieht das Schweizer Arbeitsgesetz eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vor. Dies wünscht sich auch der vsao und sieht auch keine Gründe, warum Ärzte/-innen davon ausgenommen werden sollten. Dabei sollten auch nicht die Weiter- und Fortbildungen vergessen werden, die diese Berufsgruppe regelmässig zu absolvieren hat, um eine bestmögliche medizinische Versorgung sicherzustellen. Hierbei sind vier Extra-Stunden anzurechnen, die mindestens zusätzliche zehn Arbeitstage/80 Credits jährlich ausmachen. Der Vorschlag der vsao spricht vor allem die Arbeitgeber in Spitälern an, die ihre Personalpläne in Anpassung an eine 42-Stunden-Arbeitswoche ihrer Ärzteschaft umgestalten sollten.
Landesweite Datenerfassung von Arbeitszeiten und -bedingungen
Der Verband geht davon aus, dass es bereits Spitäler gibt, die mit einer Arbeitswoche unter 50 Arbeitsstunden planen. Derzeit werden diese ausfindig gemacht, um anderen Arbeitgebern Beispiele für eine Funktionalität bei reduzierten Wochenstunden bieten zu können und sie für das neue Konzept zu gewinnen. Dazu gehört unter anderem der Wegfall überflüssiger bürokratischer Aufgaben im Administrationsbereich.
Diesbezüglich wünscht sich der Politiker Angelo Barrile als Mitglied des schweizerischen Nationalverbandes sowie der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (KSSG) künftige landesweite Datenerfassungen von allen Spitälern. Diese sollen dazu führen, einen präzisen Überblick der zeitlichen Situation der Ärzteschaft zu erhalten. Doch auch Möglichkeiten der Steuerung, Kontrolle sowie Korrekturen sollen näher untersucht werden. In Kooperation mit den zuständigen Kanton- und Bundesbehörden will der vsao gegebenenfalls die Prüfung von weitere Massnahmen angehen. Im Speziellen denkt der vsao hier auch an das Recht aller Ärzte/-innen, an Weiterbildungsmassnahmen teilnehmen zu können. Auch die digitale und nachvollziehbare Erfassung der täglichen Arbeitszeit würde zur Reduzierung der Arbeitsstunden förderlich sein. Manche Spitäler handhaben dies schon länger; andere sahen bisher keinen Handlungsbedarf.
Online-Meldung bei Verstoss bei Arbeitszeit-Überschreitung
Der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte/-innen bietet eine interne Meldestelle, die online für Assistenz- und Fachärzte/-innen zur Verfügung steht. Hier können Mitglieder und auch Nicht-Mitglieder Verstösse gegen das Arbeitsrecht melden. Das umfasst die Nicht-Einhaltung der maximalen wöchentlichen Arbeitszeiten, aber auch Diskriminierungen sowie fehlende Angebote von Weiterbildungen beziehungsweise die Ablehnung von Weiterbildungsteilnahmen. Dazu ist lediglich ein Online-Formular auszufüllen, das digital an den Verband zu schicken ist.